Neues von der Südhalbkugel

So, nach angeblich langer Zeit und einigen drohbriefähnlichen Aufforderung kommt hier nun ein weiterer Post.
Inzwischen bin ich schon fast einen Monat auf Sideia! Wahnsinn, wie schnell die Zeit vergeht. In der vorletzten Woche waren Ferien, in denen ich mit einigen Mädchen, die Schwierigkeiten mit dem Lesen haben, geübt. Wir haben einige Kapitel des ersten Teils der Narnia-Chroniken laut vorgelesen, es hat Spaß gemacht! Was ihnen fehlt, ist wirklich bloß die regelmäßige Übung.

Seit letzter Woche unterrichte ich nun alle zehn Klassen in Englisch und Sport - demnächst auch in Mathe.
In Englisch dreht es sich hauptsächlich ums Lese- und Hörverstehen, Grammatik und Rechtschreibung. Auch hier habe ich Narnia als Schullektüre eingeführt und alle sind sehr fasziniert von dem Schnee und dem Faun (viel weiter sind wir noch nicht gekommen, jede Woche besprechen wir ein Kapitel). Obwohl ich teilweise bis zu vier Jahre jünger oder nur zwei Jahre älter bin als meine Schülerinnen, werde ich von allen respektiert. Und wie höflich sie den Lehrern gegenüber sind! Wer zu spät kommt, bleibt an der Klassenzimmertür stehen, grüßt, entschuldigt sich und fragt, ob sie ihren Platz einnehmen darf. Auch im Unterricht ist es vorwiegend ruhig. Einmal die Woche unterrichte ich zwei Klassen gleichzeitig, dann sind fast 50 Schülerinnen im Raum und es ist natürlich etwas unruhiger, aber dennoch deutlich entspannter, als ich einige Kurse der letzten zwei Jahre in Erinnerung habe...
Gerade weil ich respektiert werde, fällt es mir nicht so schwer, die Rolle der Lehrerin einzunehmen, obwohl es natürlich schon ungewohnt ist. Aber ich gebe zu, man fühlt sich ziemlich cool, wenn man beim Diktat langsam im Klassenzimmer auf-  und abgeht!

Jetzt zum Sportunterricht. Ja, ja, ja. Ich mit meinen fünf Punkten (und auch das nur in einem von vier Halbjahren) leite jeden Mittwoch von 5:30-6:30 den Morgensport. Das ist sogar für mich machbar, ihr Zweifler! Ich lasse meine Schülerinnen (meist um die 200) Runden laufen, Dehnübungen machen, von einer Seite auf die andere rennen (an dieser Stelle möchte ich mich doch mal bei all meinen SportlehrerInnen bedanken. Ohne sie würde ich Kram wie Kniehebelauf, Hopsalauf, Seitstellschritt und Anfersen nicht so gut beherrschen, dass ich es vorzeigen könnte, und genügend Ideen hätte ich auch nicht) und tanzen. Den Anblick von 200 Schülerinnen im Krebsgang auf einem gut bewachsenen Feld werde ich nicht so schnell von der Netzhaut bekommen.
Und, unfassbar, aber wahr: Irgendwie macht das sogar Spaß, wenn man nicht dazu gezwungen wird (jedenfalls zwingt MICH niemand) und es keine Noten gibt.

Abgesehen davon leite ich den Chor, der aus ungefähr 30 Schülerinnen besteht. Nach dem Einsingen, das für sie sehr ungewohnt ist (Grüße an all die Personen, von denen ich so zahlreiche Einsingeübungen gelernt habe). Anfangs hatte ich ja so meine Zweifel, wie ich einen Chor leiten soll, in dem niemand Noten lesen kann, aber das ist gar kein Problem! Ich singe das Lied zweimal vor, dann spiele ich es auf der Geige, und sie singen nach. Die Mädchen haben wirklich gute Gehöre und treffen vor allem die Töne! Zurzeit bringe ich ihnen insbesondere Taizé-Lieder bei, weil ich plane, Taizé-Gebete einzuführen. Es läuft wirklich gut, auch mehrstimmig! Beim Bass oktavieren sie, aber den Tenor bekommen einige problemlos hin.

Zu den anderen musikalischen Aufgaben zählen die Song practice mit allen SASTI-Schülerinnen, die mit den Grundschülerinnen und der Blockflötenunterricht für die Älteren. (Ich weiß genau, dass einige meiner Freunde sich just in diesem Moment über dieses Instrument lustig machen! Dabei ist es ganz praktisch.)

Zudem arbeite ich weiterhin jeden Tag in dem kleinen Laden, der Canteen (see letzte Post ist so lange her, dass ich mich ernsthaft nicht daran erinnern kann, ob ich das schon geschrieben habe), in dem die Mädchen verkaufen üben. Es gibt Mehl, Zucker, Salz, Öl, diverse Waschartikel, Knabberzeug, Flipflops, Guthabenkarten fürs Handy, Kaugummis...sowas eben. Ich bin für die Kasse zuständig (an dieser Stelle: Grüße an meine Freundin im Einzelhandel, im Gegensatz zu dir hab ich viel zu viel Kleingeld, das zudem ungeordnet ist, dass ich meistens panisch darin herumwühlen muss, um endlich ein 50-Toya-Stück zu finden.) und abends zählen wir die Einnahmen des Tages.

Hier noch eine Liste der Fähigkeiten, die ich bereits erwerben konnte:
-die Geldscheine anhand der Farbe erkennen
-direkt aus der Kokosnuss trinken, ohne mich von oben bis unten zu bekleckern
-das Zuckerrohr mit dem Buschmesser schälen, ohne mich zu schneiden
-die Schale der Papaya zerteilen, ohne, dass Stücke auf dem Boden landen
-kalt duschen ohne zu zittern
-überhaupt duschen, ohne sich um die Riesenspinne (getauft auf den Namen Arkadia) in der Ecke zu kümmern
-auf dem Steg stehen, und das zwei Stunden am Stück, ohne einzuknicken
-diverse Gebete auf Englisch auswendig können
-Zeitangaben entspannter sehen
-ich weiß jetzt, dass ich nie wieder das langsame Boot besteigen darf, weil ich darauf seekrank werde. Das Dingey ist weitaus besser. (Und hier möchte ich nochmal betonen, wie beeindruckt ich davon bin, dass die Klasse, mit der ich auf dem Boot war, mich immer noch respektiert. Eine Lehrerin, die vier Stunden lang über der Reling hängt, dabei festgehalten werden muss und danach quer über zwei Schülerinnen schläft, büßt sonst wahrscheinlich viel von ihrer Autorität ein.)

Dies als kleine Auswahl. Ich verspreche zu versuchen, mich nun öfter zu melden, schon allein deshalb, weil es so viel zu erzählen gibt, dass ich gar nicht nachkomme!
Bis bald,
Live Jesus Choose Joy!
Weronika

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