Unverheiratete Achtzehnjährige



Heute möchte ich zur Abwechslung mal von einem Aspekt der Kultur in Papua-Neuguinea berichten. Inzwischen bin ich ja schon seit über sechs Monaten hier, deshalb habe ich Einiges mitbekommen (wenngleich auch nur einen Bruchteil der verschiedensten Kulturen und Traditionen, denen die Mädchen angehören).
Doch es gibt einige verbindende Elemente, die sich in fast jeder Kultur in Milne Bay....und über die Grenzen unserer Provinz hinaus finden.
Dazu gehört beispielsweise die frühe Heirat. Mit 18 noch nicht verheiratet zu sein (wie ich und die meisten meiner Schülerinnen) ist keinesfalls der Durchschnittsfall.
Um die Gründe dafür zu erklären, möchte ich mit der allgemeinen Rolle der Männer und Frauen anfangen. Ich beziehe mich dabei vorwiegend auf unsere Provinz Milne Bay und das, was mir die Menschen über sich erzählt haben, was mir andere Missionare und Missionarinnen erzählt haben und was ich selbst beobachten konnte.

Traditionell kümmern sich die Frauen um die Erziehung der Kinder und den Anbau von Gemüse, Obst, Nüssen und Kräutern im Garten und um den Verkauf dieser Güter auf dem Markt, während die Männer fischen und den Boden für den Anbau lockern.
Soweit zur THEORIE. Bedauerlicherweise haben nicht wenige der Männer die Tendenz dazu, sich dem Alkohol- und Marihuanakonsum sowie dem Kauen der Betelnuts vor ihren Häusern oder auf dem Steg zuzuwenden, was zur Folge hat, dass den Frauen zusätzlich zu ihren Aufgaben auch noch die ihrer Partner zufallen.
Zu diesen Partnerschaften, die nur selten Ehen sind (einige christliche und einige traditionelle), lässt sich sagen, dass die Männer oft auf die Kosten der Frauen leben. So ist es vor allem in den abgelegenen Bereichen des Landes, wie auch bei uns. Die Ehemänner oder Partner unserer Lehrerinnen sind verantwortlich für viele nächtliche Störungen, die aus übertriebenem Alkoholkonsum resultieren, dem sie sich tagsüber hingeben, weil es für sie einfach nicht genug zu tun gibt.
Und hier liegt das eigentliche Problem! Viele dieser Männer sind beschäftigungslos, und wenn ihre Frauen sie nicht dazu überreden oder beinahe zwingen, tagsüber -während sie in der Schule sind - auf die Kinder aufzupassen, dann sind sie dazu imstande, den ganzen Tag auf dem Steg zu sitzen.
Warum ist das so? Die Regierung tut nicht genug, um diese Männer aufzufangen, wenn sie meist nach der achten Klasse aus dem Bildungssystem fallen, weil es zu wenig weiterführende Schulen gibt. Deshalb ist es unsere gemeinsame Aufgabe, diese Menschen so gut wie möglich "beschäftigt" zu halten! Einige arbeiten beispielsweise ab und zu als Handwerker an der Schule.

Und nun zur eigentlichen Frage: Warum sind achtzehnjährige Unverheiratete keineswegs durchschnittlich? Zum Einen würde ich hier anführen, dass die Welten von Mann und Frau hier noch sehr getrennt werden. Die Jungen und Mädchen wachsen oft separiert auf, was verschiedene Gründe hat (ich muss das an dieser Stelle mal abkürzen, sonst wird ein ganzes Buch draus). Bloße Freundschaften zwischen Jungen und Mädchen sind sehr selten. Das ist der Grund der Separation, aber wohl auch deren Ursache. So einfach lässt sich das Problem aber nicht lösen. Jedenfalls können es die Mädchen kaum glauben, dass ich NICHT mit einem Jungen verlobt bin, der auf dem Klassenfoto neben mir steht. Eine "Freundschaft" wird hier beinahe sofort zu einer Beziehung, weshalb der Kontakt zu Jungen auf der Insel restriktiv geregelt ist (gut so. Die meisten von denen sind nämlich sowieso nicht sonderlich gut erzogen, sondern werfen mit Steinen und/oder Dreck).
In den Dörfern ist das natürlich anders, deshalb werden die Mädchen nach der Rückkehr aus den Ferien kritisch beäugt - wenn eine zu viel schläft, dann ist sie sicherlich schwanger, was die Schulkarriere abrupt beendet. Im letzten Jahr hatten wir sechs solcher Fälle.
Die Mädchen haben mir erzählt, dass sie wahre Ausnahmen sind - die meisten ihrer Klassenkameradinnen aus der achten oder zehnten Klasse sind inzwischen verheiratet. Sich mit 15 zu verloben bedeutet, dass die Eltern nicht zu streng sind, um bis zur Erreichung des 17. Lebensjahres zu warten, das zwar offiziell dem Gesetz nach als Alter gilt, ab dem man heiraten darf, fernab der Zivilisation aber keine Rolle spielt. Dieses Alter bezieht sich nämlich auf die Zivilehe, und die wenigsten Menschen hier (genauer gesagt kenne ich gar keine) sind standesamtlich verheiratet.
Wer nach der achten Klasse nicht für eine Schule - weiterführend oder beruflich - ausgewählt wird oder bei wem der Clan nicht über eine weitere Schulbildung entscheidet, bleibt oft im Dorf und heiratet dann recht zügig.
Und dann ist es leider meistens vorbei mit der Bildung - es sei denn, der Clan übernimmt die Aufsicht über die Kinder, was vorkommen kann. Zwei meiner Schülerinnen sind bereits verheiratet, eine sogar verwitwet, und Familienmitglieder kümmern sich um die Kinder, bis die Mädchen ihre Schulbildung beendet haben.

Unsere Schule existiert, damit die Mädchen nach der achten oder zehnten und der Enttäuschung, die mit der fehlenden Zulassung zur weiterführenden Schule verbunden ist, eine weitere Perspektive haben, ihr Leben zu verbessern. Nach dem Erhalt des Zertifikats können sie Arbeit finden und müssen nicht sofort heiraten und im Dorf bleiben, um sich den Lebensunterhalt zu sichern. Es ist von großer Bedeutung, auch wenn wir vielleicht nur wenigen Mädchen helfen können - aber immerhin! Jedes Leben zählt, und so können sie auch ein Beispiel abgeben und dafür sorgen, dass die künftige Generation in einem besseren Umfeld aufwachsen kann.
Jene Mädchen, die SASTI bereits verlassen haben, arbeiten zahlreich in Alotau und sind sehr glücklich darüber, die Möglichkeit genutzt zu haben, diese Bildung zu genießen.

Die Probleme stecken tief in der Gesellschaft, und der einzige Schlüssel, um den Kreis zu durchbrechen, ist Bildung. Und deshalb tun wir, was wir können, um den Mädchen zu helfen - vor allem denen, die vom Bildungssystem und der Gesellschaft vernachlässigt werden.

So, ich hoffe, das konnte zumindest einen kleinen Einblick geben!
Live Jesus Choose Joy!
-Weronika

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