Frauen in Milne Bay: Selbstständig alleingelassen #1: Aufklärung und Reproduktionsgesundheit

 Schon mal vorweg: Dieser Beitrag spiegelt meine persönlichen Eindrücke wider. Ich berichte darin von den Erlebnissen und Erzählungen meiner Freundinnen. Es handelt sich keinesfalls um eine vollständige oder wissenschaftliche Widergabe des Lebens der Frauen in Milne Bay. 

Dies ist der Auftakt zu einer kleinen von mir verfassten Reihe. Wenn ich davon spreche, dass Frauen in Milne Bay selbstständig alleingelassen sind, hat das viele Aspekte, die ich in der nächsten Zeit hier näher beschreiben werde. Heute möchte ich das Thema der Aufklärung näher unter die Lupe nehmen. 

Grundsätzlich lässt sich sagen: Die sexuelle Aufklärung findet statt. Es ist ein Mythos, dass Menschen in weniger entwickelten Ländern überhaupt keine Ahnung von ihrem Körper, dem Menstruationszyklus oder verschiedenen Formen von Verhütung haben. Dennoch ist der Zugang zu vollständiger sexueller Aufklärung nicht immer gewährleistet. Die meisten Kinder werden zunächst von ihren Eltern aufgeklärt, in der Schule gilt das Thema aber bisweilen als Tabu. Besonders in kirchlichen Schulen zeigt sich hier leider ein Problem. Über Sexualität wird oft ausschließlich im kirchlichen Kontext gesprochen: Die Brücke zur Ehe und zur Schlussfolgerung "Das müsst ihr jetzt also sowieso noch nicht so genau wissen" ist schnell geschlagen. Diese nicht vollständige Aufklärung führt oft zu gefährlichen Halbwahrheiten. Besonders die Mädchen wissen also oft zu wenig über ihren eigenen Körper. Auf einer Schwangerschaftskampagne, die in SASTI stattfand, nachdem eine unserer Schülerinnen (recht überraschend für alle anderen) ein sieben-Monats-Kind gebar, fragte eine andere Schülerin die anwesenden Krankenschwestern, ob es eigentlich zu jedem Zeitpunkt im Zyklus schwanger werden kann. Sehr verbreitet ist die Annahme, dass beim ersten Geschlechtsverkehr sowieso kein Kind gezeugt werden kann. Oder dass man wirklich mehrmals mit jemandem schlafen muss, um schwanger zu werden. 
Über den eigenen Körper wissen viele Mädchen also deutlich zu wenig. 
Aber was die Aufklärung zu verschiedenen Verhütungsmethoden betrifft, sind sie durchaus nicht uninformiert. Während sich die Schulen darüber meist eher bedeckt halten mit der Begründung "Kein Sex ist die beste Verhütungsmethode", sind die Mütter, Tanten, Cousinen und ältere Bekannte auskunftsfreudiger. Meine Freundinnen konnten mir genau sagen, was sie vor oder nach dem Geschlechtsverkehr nehmen müssten, um nicht schwanger zu werden. Es handelt sich dabei meist um Pflanzen, die an vielen Stellen wachsen und frei zugänglich sind. Abtreibung ist zwar rechtlich nur bei Gefährdung der Gesundheit der Frau erlaubt, aber es gibt sicherlich eine hohe Dunkelziffer an illegalen Abtreibungen. Auch hier wissen die Mädchen Bescheid. Eine Schülerin von mir hat zum Beispiel vor ein paar Jahren ihr Baby mit einer Mischung aus Kaffee und Bleichmittel abgetrieben. 
Solche Informationen sind aber nicht öffentlich zugänglich. Ich habe das alles hinter vorgehaltener Hand im Vertrauen erfahren. Gerne wird nämlich in der Öffentlichkeit so getan, als gebe es diese Probleme nicht. 
Nein, Abtreibungen kommen hier nicht vor. Die Familie ist heilig. Die Ehepartner brauchen sich keine Gedanken um die Verhütung zu machen und tun das auch nicht. 
Tja, die Realität sieht anders aus. Allermeistens haben die Männer das Sagen in der Partnerschaft. Sie fordern von den Frauen beispielsweise, sich ein Implantat zur Verhütung einsetzen zu lassen, was erhebliche gesundheitliche Nebenwirkungen für die Frau nach sich zieht). Und wenn die Frau das nicht möchte, sieht sie sich oft damit konfrontiert, nicht genug über ihren Körper zu wissen, um Schwangerschaften durch eigene Zyklusbeobachtung zu verhindern. Außerdem ist "Vergewaltigung in der Ehe" in Papua-Neuguinea kein Straftatbestand. Ich habe mit Mädchen und Frauen gesprochen, die einfach keine andere Möglichkeit sehen, als entsprechende Kräuter zur Verhütung zu nehmen, um nicht ungewollt schwanger zu werden. In der Gesellschaft wird das nicht als Problem wahrgenommen, sondern als Selbstverständlichkeit. Die Frauen sollen immer verfügbar sein. Mit ihren Bedenken hingesichts einer überraschenden oder wiederholten Schwangerschaft werden sie alleingelassen. Deshalb werden sie selbstständig und suchen sich ihre Wege. Sie beschweren es nicht, denn sie sind die Unterdrückung durch ihre Partner und die Gesellschaft gewöhnt. Sie kennen es nicht anders. 

Was sollte sich ändern? Zunächst einmal der Umgang mit der Thematik. Er muss realitätsnaher gestaltet werden. "Habt einfach keinen Sex vor der Ehe" ist zu utopisch und reicht nicht als Verhütungsmethode. Sich dann über steigende Zahlen von Teenagerschwangerschaften zu wundern, ist eine absurde und verleumderische Reaktion. Die Mädchen müssen genau über ihren Körper und ihren Zyklus bescheid wissen, anstatt sich mit für sie gesundheitsschädlichen Praktiken übers Wasser zu halten, wozu sie sich jetzt gezwungen sehen. Die Jungen müssen mit größerem Respekt zu den Mädchen erzogen werden und ebenfalls über den Menstruationszyklus unterrichtet werden. 

Es war und ist so frustrierend, Mädchen zu sehen, die wegen früher Schwangerschaft ihre Schulbildung abbrechen müssen. Mädchen, die direkt nach der Schule heiraten und somit ihrer Karriere ein Ende setzen, weil sie temporäres Glück über ihr eigenes Potenzial stellen (ja, hier spricht die etwas enttäuschte Mathelehrerin einer Absolventin der Juni-OA3-Klasse...). Es ist nicht einfach. Aber wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. 

Demnächst folgt mehr zu diesem Thema! 

Live Jesus, Choose Joy!

Weronika









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